Lang ist es her, da träumte ich den Traum vom 114er Einsteigerdobson für jedermann, der eben nicht nur den ebenso altbackenen wie qualitätsunsicheren 114/900er Kaufhausnewton mit Kugelspiegel und 1 1/4 Zoll Plastik-OAZ, einen für Einsteiger untauglichen 114/500er oder den katastrophal-katadioptrischen 114/1000er Short-Newton als Herzstück aufzuweisen hatte, sondern wirklich kann, was ein modernes Einsteigerteleskop für wenig Geld möglich macht.
Niemand aus der Händlerschaft interessierte sich dafür, zaghaft bekundetes Interesse von möglichen Anwendern hilft nicht und so blieb es bei meiner Machbarkeitsstudie, die ich aus günstigen, teils selbst gebauten Komponenten und zusammengesuchten Restposten und -stücken bastelte. Das kostbarste Teil darin ist der von Andreas "gestreichelte", sehr gute ATM-Hauptspiegel mit echten 114 mm Öffnung und 660 mm Brennweite.
Ein großes Hindernis war, dass es zum Zeitpunkt des Baus vor ca. 10 Jahren, keine bezahlbaren 2 Zoll Okularauszüge mit guter Mechanik und einer Bauhöhe unter 70 mm gab und auch heute, also 2023, immer noch nicht gibt.
Kleine Newtons sind daher kaum mit Obstruktionswerten unter 30% zu bauen. Da es zur Vermeidung extremer Obstruktionswerte bei gleichzeitigem Augenmerk auf gute Ausleuchtung von 2" Weitfeldokularen sehr darauf ankommt, den Okularauszug so niedrig wie möglich zu halten, kam ich auf einen Selbstbau Helikal-Okularauszug mit etwa 40 mm minimaler Höhe über Tubus. Im Verbund mit dem 150 mm HP-Tubus (Hartpapierröhr) konnte so ein 32 mm Fangspiegel (28% Obstruktion) eingesetzt werden, der immer noch reichlich 10 mm Feld ausleuchtet. "MyNewton" ist damit zufrieden und ich auch, zumal die Abblildungsleistung wirklich gut ist.
Allerdings ist dieser Helikalauszug wegen der mitdrehenden Okulare nicht mein Ding. Meine Okulare haben vielfach seitliche Störlichtfahnen, für Mond und Planeten setze ich auf einen Binoansatz und so blieb das Teleskop doch mehr und mehr auf der Strecke, eigentlich bevor es richtig fertig war. Spätestens als dann mit dem 6 Zoll f/4,8 Dobson mehr Öffnung bei ähnlich schneller Einsatzbereitschaft zur Verfügung stand, geriet der Kleine fast in Vergessenheit.
Die Wende kam mit dem 3D-Druck und mit Astrokumpel Dennis langsam in Sichtweite, der auf seinem Drucker einen im Netz kursierenden Crayford-Okularauszug nachdruckte. Das Teil funktioniert und weist nur 40 mm Bauhöhe auf. Einzig die Beschaffung eines temperaturstabilen Basismaterials erwies sich als langwieriges Problem, welches sich aber kürzlich lösen ließ. Die eingespannte Okularsteckhülse verformt sich nun auch dann nicht mehr, wenn das Teleskop mal an einem heißen, sonnigen Sommertag in einem geschlossenen Zelt steht und Temperaturen bis 60 Grad ausgesetzt ist. Man sollte das (eigentlich jedes) Teleskop trotzdem nicht solchen Backofentemperaturen aussetzen.
Mein 6-Zöller ist schon einige Zeit so ausgerüstet und der OAZ inzwischen mit der Okularsteckhülse aus dem neuen Material versehen. Übrig blieb mir ein zweiter, schon stark bebastelter, aber voll funktionstüchtiger Okularauszug, der zuvor verschiedenen Tests, unter anderem im Backofen, diente.
Eigentlich holte ich den 114/660er Dobson nur aus der Ecke, um den gedruckten OAZ mal dran zu halten. Der sah neben dem kleinen Helikal schon recht monströs aus. Das Loch im Tubus war ohnehin zu klein, die Fangspiegelhalterung fraglich, die Montage in der Rockerbox ziemlich stümperhaft, das sah alles recht problematisch aus. Aber eigentlich hat dieser gute 114er sein Potenzial viel zu selten zeigen dürfen und gebaut wurde er mal um Potenzial zur Alltagstauglichkeit zu beweisen. Warum also nicht ein paar Problemchen lösen, die Reste- und Bastelkiste enthält fast alles was ich brauche. Einfach mal machen, das könnte doch gut werden.
Die Idee für das Teleskop ist sehr einfach.
Mit f/5,8 ist so ein Parabolspiegel noch okularunkritisch, bietet also auch mit einfachen Okularen ein gutes Bild im Rahmen der Öffnung. Man kann langbrennweitige Okulare mit voller Feldblende für größtmögliches Feld nutzen immerhin sind maximal 4 Grad drin. Das ist Weitfeld vom Feinsten, z.B. mit einem 38 mm Erfle-Okular bei 17fach mit 6,5 mm AP. Selbst ein gängiges, günstiges 32er Plössl in 1 1/4 Zoll Ausführung bildet super ab und bringt 20fache Vergrößerung mit deutlich über 2 Grad Feld bei 5,5 mm AP.
Nur 28% Obstruktion linear und 7,8% über die Fläche sind in dieser Größenklasse ein Top-Wert, die gebogene Spinne für den kleinen, leichten Fangspiegel ist gut und justierstabil zu machen. Sie erzeugt visuell keine Spikes an hellen Sternen. Allein schon in Summe und Verteilung der zusätzlich zum Fangspiegel verursachten Beugungserscheinungen ist sie die kleinste Lösung und damit allen anderen Haltern überlegen. Die Hauptspiegellagerung erfolgt ohne Klammern oder sonstige Eingriffe auf die verspiegelte Fläche, womit zusätzliche Beugungserscheinungen vermieden werden.
Da geht mit dem sehr guten Spiegelset auch bis 150fach was am Planeten, wenn mal alles richtig passt auch mit 4 mm Okularbrennweite für 165fach bei ~0,7 mm AP.
Das HP-Rohr (Hartpapier 3 mm Wanddicke) mit Innenvelourierung ist wie ein Isotubus zu sehen und bietet für den kleinen Spiegel vom Durchmesser her üppig Platz. Die Spiegelzelle ist sehr luftig. So ist der Anbau eines Lüfters noch entbehrlich, auch wenn höhere Vergrößerungen angewendet werden.
Das Teleskop ist leicht, gut transportabel, kann auf dem Stummelstativ aus Dachlatten oder auf einem Tisch, Hocker, ja selbst auf Getränkekisten stehend betrieben werden und ist als Dobson intuitiv zu handhaben.
Geträumt ist das schnell, der Umbau geht dann schon etwas langsamer.
Der Okularauszug sieht an dem kleinen Tubus ziemlich überdimensioniert aus, ist aber kaum schwerer als der alte Helikal, da er bis auf die Welle, einige Schrauben und Buchsen nur aus Kunststoff, im Inneren mit luftiger Wabenstruktur, besteht.
Die gebogene Spinne kann zunächst beibehalten werden, sie passt noch, trotz der etwas größeren Basis des neuen OAZ. Der Fangspiegelhalter mit den drei Justageschrauben ist bei dieser Konstruktion eigentlich unnötig, da reicht eine im passenden Winkel abschrägte Lasche zur Fangspiegelbefestigung. Die restlichen Freiheitsgrade bieten die beiden seitlich am OAZ angebrachten Haltebügel, in denen die Arme jeweils in der Läge verändert, in der Höhe verschoben und im Kippwinkel korrigiert werden können. Mit festgezogenen Schrauben ist das System absolut starr. Das justiert sich, ohne die (hier noch vorhandenen) drei Kippschrauben und die zentrale Stellschraube zu bedienen anders als gewohnt, ist aber nach Eingewöhnung viel unproblematischer. Bleibt die Aufgabe, das bei gleich guter Funktion noch etwas schöner zu machen.
Ähnlich sieht das beim Tubus und bei der Hauptspiegelzelle aus, die komplett aus dem Altbau übernommen wurde, weil sie einfach perfekt funktioniert. Das Bild zeigt ein Stück KG Grundrohr (DN 160), welches als passende Verlängerung auf das zu kurze Reststück eines 150 mm Hartpapierrohrs gesteckt und verklebt wurde. Der Spiegelzellenring aus Multiplexholz passt sich ein und ist innerhalb der Verlängerung zu verschieben, sodass der Fokuspunkt frei festgelegt werden kann. So kann ich auf Brennweitenunterschiede von Hauptspiegeln, Höhenunterschiede von Okularauszügen oder extreme Fokuslagen von Zubehör reagieren, letztlich wäre sogar der Umbau zur Fotomaschine ohne Aufwand möglich. Ist die passende Lage im Tubus gefunden fixiere ich den Ring mit drei Madenschrauben, die durch den Ring von innen gegen den Tubus drücken. Die drei Schrauben für die Justage sind in der Hauptspiegelhalterung drehbar gelagert. Justiert wird mit den Schrauben simpel über geschnittene Gewindegänge im Holz des Zellenrings. Das ist extrem feinfühlig, gleichzeitig auch schwergängig und stabil genug um sich, auch ohne Konterung, nie selbsttätig zu verstellen und leichtgängig genug für Handbedienung.
Der Spiegel selbst liegt auf drei Korkplättchen. Eine kleine zentrale Gewindebuchse ist mit einem Silikonpunkt auf die Rückseite geklebt und hält den Spiegel absolut sicher in der Zelle. Löst man diese Schraube kann der Spiegel zwecks Reinigung oder Austausch leicht entnommen werden. Haltebacken, welche auf die verspiegelte Fläche greifen würden, sind unnötig. Damit verbundenes Verspannungs-, Beschädigungspotenzial ist gebannt, entsprechende Beugungserscheinungen mit ihren Beeinträchtigungen der Abbildungsleistung ausgeschlossen. Ja, ich weiß, Holz "arbeitet", aber das spielt in dieser Größe und für visuelle Anwendungen keine Rolle.
So ausgestattet wurde der Tubus wieder in die Rockerbox montiert, wobei die Höhenwiege mit seitlichen Lagerbacken versehen wurde, um den Tubus zusätzlich zur unteren, verstellbaren Lagerplatte zu stabilisieren. Die Höhenlagerung mit Klemmung über Flügelmuttern und mit CD's als Gleitlager hatte sich bereits früher als belastbar und feinfühlig zu bewegen bewährt. Sie wurde beibehalten. Den Drehteller für die seitliche Bewegung habe ich direkt mit dem Stummelstativ verbunden. Das passt zu meiner Gewohnheit, bequem sitzend zu beobachten und zu zeichnen. Hier gibt es die bewährte Lagerung mit drei Teflonpads die auf Küchenarbeitsplattenbeschichtung (Resopal Granit) laufen. Über die zentrale Halteschraube kann der Andruck reguliert werden.
Nachdem über den Abstand des Hauptspiegels zum Fangspiegel und zum OAZ der Brennpunkt so festgelegt war, dass alle Okulare und auch der Binoansatz gut in die Fokus kommen, wurde die Justage erledigt. Die erste, kurze Sonnenbeobachtung mit dem alten Selbstbaufilter war als Test schon recht vielversprechend.
Hier mal die Ansicht von vorne, mit der gebogenen Fangspiegelhalterung, dem niedrigen 2 Zoll Okularauszug und dem völlig ausreichenden Peilsucher. Von der Seite sieht man die simple Sucherbefestigung und die auf beiden Seiten des OAZ vorhandene Halterung für die Fangspiegelhalterung. Klemmplatte mit Rändelschrauben und einer Madenschraube zur absolut sicheren Fixierung.
Nochmal der Okularauszug mit Justiereinheit von der anderen Seite. Die Klebestreifen markieren viele Löcher im Tubus, die von vorherigen Basteleien herrühren. Auf späteren Bildern sind dort schwarze Schrauben zu sehen, deren einzige Funktion der Verschluss der Löcher ist.
Nun kommen die ersten ernsthaften Beobachtungen und ich kann nur sagen, der Umbau hat sich gelohnt. Der kleine Dobs hat mechanisch überhaupt keine Mühe mit dem doch recht schweren Binoansatz (925 Gramm) und die Nachführung ist so gut einstellbar, dass auch Zeichnen, mit gelegentlichem intuitiven Nachschubsen, kein Problem darstellt.
Was die Optik mit frisch gewaschenen Spiegeln zeigt, finde ich ebenfalls sehr beachtlich. Das gibt jetzt schon genügend Material für einen eigenen Beobachtungsbericht zum Gerät. Ein erster Bericht steht schon unter Sonne Weißlicht aktuell.
Hier nur mal die ersten Bilder als Appetithäppchen.
Nachdem inzwischen der erste Beobachtungsbericht online ist, bleiben noch kleine, abschließende Arbeiten nachzutragen, die den Umgang mit dem Dobson nochmals erleichtern. Ein Nachführgriff und ein Tragegriff wurden noch angebaut. Erfreulich klein und handlich ist der Dobson geworden und fertig aufgebaut findet er durchaus auch mal in einer Raumecke Platz.
Es ist halt so, dass alle gängigen Kleinnewtons bis 6 Zoll Öffnung (bis auf ein paar fotografisch ausgelegte Ausnahmen) auf dem Markt maximal als Organspender für Selbstbauten taugen oder sündteuer werden.
Am ehesten taugt noch die justierbare (aufpassen!) Heritage Variante von Skywatcher mit dem Ausziehtubus und dem 1 1/4 Zoll Stummelauszug als günstiges Teleskop für einen guten Einstieg, darüber hinaus auch für schnell mal gucken und für Ausflüge unter dunklen Himmel mit leichtem Gepäck.
Ansonsten sind die Fangspiegel immer zu kein, die OAZ immer zu hoch, die Justierung immer zu problematisch um die ohnehin immer fragliche Qualität der Spiegel auch in entsprechende Leistung münden zu lassen, also ans Auge liefern zu können.
Hat man aber einen kleinen, passenden Dobson gefunden oder gebaut, ist man wirklich sehr mobil, egal ob es nun von zu Hause zu Fuß ins Feld geht, oder von einem Parkplatz aus ein dunkler Ort in einigen 100 Metern Entfernung erreicht werden soll.
So sieht mein Gepäck für solche Ausflüge aus. Schwere Okularkoffer pp. bleiben zu Hause. Das Teleskop mit dem Tragegriff kommt in eine Hand, der Rucksack mit Sternkarte, zwei Okularen plus Barlow, Filtern, Astrolampe und einem Fernglas, sowie Thremoskanne, Wasserflasche und sonstiger Verpflegung auf den Rücken. Gegebenenfalls würde da auch noch ein Stativ und/oder ein Falthocker/Stuhl hinein passen oder diese Sachen müssten in der anderen Hand getragen werden.
Mein Selbstbau Stummelstativ ist aber auch für solche Ausflüge ausgelegt. Man kann es fest mit dem Teleskop verbinden, dann fällt das Tripod weg (bzw. in den Rucksack).
Ich kann es aber auch als Hocker verwenden und das Teleskop mit dem Tripod auf den Boden stellen.
So bleibt mir beim Spaziergang zum Beobachtungsplatz sogar noch eine Hand frei. Im Rahmen solcher Ausflüge lernt man auch, dass Einzelteile gerne zu Hause oder am Platz vergessen werden. Auch wird manches lose Teil vom Winde verweht oder geht auf andere Weise verloren. So hat die neue und sehr leichte Taukappe, aus Moosgummi mit Velourseinlage, am 114er ihren festen und sicheren Parkplatz hinten und ist da für den Einsatz vorne immer greifbar.
Nochmal zusammengefasst ist eigentlich erst mit diesem gedruckten OAZ, einem Kanalrohr und so was wie einer solchen, einfach nachzubauenden, kleinen Rockerbox, der Umbau finanzell attraktiv und heimwerkertechnisch überhaupt möglich. Man kann diese Box aus Multiplex-Brettchen, die man sich im Baumarkt fertig zuschneiden lässt, gut nachbauen. Die Verzapfungen an den Wangen sind in dieser Größenklasse nicht zwingend nötig. Mit etwas Holzleim und ein paar Schrauben kann man auch eine stabile Verbindung herstellen.
Es gibt auch schon Anleitungen zum 3D-Druck kompletter kleiner Dobsons im Netz. Sehr attraktiv für technikbegeisterte, aber auch von Lichtverschmutzung geplagten Hobbyastronomen kann so etwas in Kombi mit Chelestron Star Sense (Handysteuerung) oder den Skywatcher PushTo Systemen werden.
Jedenfalls ist es so, dass die meisten kleineren Newtons, mit Ausnahme der SW-Heritage Dobsons, die man heute kaufen kann, einen zu großen Fangspiegel benötigen (der häufig nicht eingebaut ist) um den kompletten Lichtkegel so aus dem Tubus heraus umzulenken, dass der (über einem zu engen Okularauszug) zu hoch über dem Tubus liegende Fokuspunkt ohne Öffnungsbeschneidung/Vignettierung erreicht werden könnte.
Solche Spiegelsets eignen sich meistens hervorragend für den Einbau in einen längeren (verlängerten) Tubus mit angebautem niedrigen Okularauszug und entsprechender Fokuslage. Es entfällt nicht nur Öffnungsbeschneidung und Vignette, nein es kommt sogar oft genug üppige Feldausleuchtung, auch für langbrennweitige Weitwinkelokulare, dabei heraus.