Bord-walk oder Side-walk Astronomie

John Dobson ist einerseits berühmt dafür, den nach ihm benannten und genial einfachen Teleskopaufbau erfunden zu haben, seine Art Astronomie zu betreiben steht aber auch für die Idee, wirklich Jedermann für astronomische Beobachtungen zu begeistern. Die wesentliche Herausforderung dabei liegt gar nicht darin, ein Teleskop auf den Bürgersteig zu stellen, also für jedermann zugänglich zu machen, sondern die Beobachtung so zu gestalten, dass die Beobachtung zu einem Erfolgserlebnis für die Besucher wurde. Eine Herausforderung die heute noch genauso besteht, wie 1967.

 

 

Inzwischen trifft man nicht selten Hobbyastronomen auf größeren öffentlichen Veranstaltungen oder auch zum Tag der Astronomie in Städten und Gemeinden mit unterschiedlichsten Teleskopen an. Das Angebot für Interessierte reicht von der Sonnenbeobachtung über Mond und Planeten bis zur Deepsky Beobachtungen oder auch EAA und Fotografie. Die neueren technischen Komponenten, wie z.B. GoTo und Handysteuerungen, erweitern gegenüber den Anfängen von John Dobson die Aktivitäten und auch den Erklärungsbedarf sehr deutlich.

Ich wohne ländlich, habe schon im Garten brauchbaren Himmel, aber ein paar Kilometer hinausfahren bringt 0,2 Mag, manchmal auch über 0,5 Mag bessere Grenzgröße und das lohnt natürlich. Nun ist es nicht unbedingt angesagt, tief in den Wald einzudringen. Ein Parkplatz mit einer größeren, leicht erhöhten Wiese im Süden und dem Waldrand im Norden ist schon ziemlich ideal. Mit Einbruch der Dämmerung fährt da eigentlich kaum noch jemand herum, höchstens mal Förster und Jagdleute. Man trifft auch noch späte Spaziergänger oder Radfahrer an. Ob nun die Jägerin angesichts des 12 Zoll Dobsons mal fragt, was das denn für eine Kanone sei oder der Spaziergänger auf Fernrohr mutmaßt und wissen will, was es da zu sehen gibt, schon steckt man mitten in der Öffentlichkeitsarbeit für das Hobby.

Natürlich hat ein Forst- oder Jagdmensch Sorge, dass seine Kreise gestört werden könnten und oft genug ist die Zufahrt zum Platz für Normalsterbliche (eigentlich) gesperrt, aber gegenseitiges Interesse kann man im Gespräch wecken und schüren, und so auch Akzeptanz schaffen. Ein guter Zugang für ein Gespräch mit Hobbybezug sind die häufig sehr guten Ferngläser der grünen Zunft und ein Blick auf Saturn, Jupiter oder auch Messier 13 durch ein leistungsfähiges Teleskop verfängt bei solchen Natur liebenden Menschen fast immer. Überhaupt erkennt man innerhalb von nicht mal zwei Minuten, ob jemand hinguckt oder nur "nett" ist. Manchen ist man nach 5 Minuten wieder los und mit anderen Leuten habe ich schon zwei Stunden gestanden, beobachtet und Freude geteilt. Dazwischen ist alles möglich, sogar, dass ich mal einem wichtigen, sehr schlauen Alkoholfahnenträger im Newton einen Stern im starken Defokus als schwarzes Loch verkaufte.

Möglichst niedriger Einblick aber sehr viel Durchblick ist allerdings gefragt, wenn wir mit unserer kleinen, lockeren, nicht vereinsmäßig organisierten Gruppe ein wenig Öffentlichkeitsarbeit für Kinder und Jugendliche machen. Unsere Motivation dafür ist vielschichtig. Die jungen Menschen werden es in der Hand haben, ob später noch dunkler Himmel mit Möglichkeiten zur Beobachtung von Objekten außerhalb des Sonnensystems zur Verfügung steht, oder nicht. Unsere Generation, also genau genommen wir, versagen da gerade ganz kläglich.

 

Jedes Jahr beteiligen wir uns an den Ferienspielen unserer Großgemeinde und laden Kinder zwischen 8 und 18 ein, unser Hobby kennenzulernen, spannende Vorträge über Raumfahrt, Sonnen, Planeten und deren Entstehung anzuhören und anzusehen. Hauptsächlich geht es aber darum zu erfahren, wie so ein Teleskop funktioniert und mit uns zu beobachten. Ab 21.00 Uhr, mit Einbruch der Dämmerung, ist dann die Teilnahme eines Elternteils Pflicht, aber man sieht, da ist mehr als Pflichterfüllung im Spiel.

Bisher hatten wir nur ein Mal das Wetter Pech, ausschließlich auf unser Vortragsprogramm angewiesen zu sein, ansonsten ergab sich immer die Gelegenheit zur Beobachtung und zu ganz praktischen Erklärungen und Beobachtungen an den Teleskopen. Dabei bin ich immer wieder erstaunt, wie interessiert, aufmerksam und fasziniert Kinder sich auch technischen Details nähern, wenn man sie mal selbst etwas anfassen lässt und auf ihre Fragen eingeht. Wenn man ihnen schon am Tage einen Baum oder einen Mast einstellt und sie dann das Teleskop bewegen lässt, auch erklärt, wie fokussiert wird und sie das selbst tun dürfen, sind manche Kids ganz schön fix. Wer Vorträge plant, sollte das immer mindestens mit doppeltem Zeitansatz tun, denn wenn man Zwischenfragen abwürgt, würgt man auch das Interesse ab.

Man hört ja oft genug aus gut informierten Kreisen, dass Öffentlichkeitsarbeit am Dobson schwierig, ja fast unmöglich sei, weil keine Nachführung vorhanden ist und sich zu leicht alles allein durch Anfassen verstellt. Da muss ich mal eine Lanze für Kinder brechen. Es ist uns ein Mal in einer wenige Minuten offenen Wolkenlücke gelungen, rund 20 Kindern am Dobson ohne EQ-Plattform in der Dämmerung den Saturn mit seinen Ringen zu zeigen und zwar so, dass jedes Kind selbst scharfstellen konnte und wirklich auf Nachfrage auch zutreffend beschrieben wurde, was zu sehen war. Wir haben ihnen und uns einfach die sportliche Aufgabe gestellt, jedem diesen Anblick zu ermöglichen. Sie haben das äußerst diszipliniert und erfolgsorientiert durchgezogen und waren hinterher zu Recht stolz auf ihre Teamleistung. Die erste erwachsene Besucherin die dann später kam, hielt sich gleich mal am Führknopf fest. Da hatten wir nicht aufgepasst und sie zuvor nicht zugehört. Aus dem Hintergrund war ein vernehmliches, leicht pikiert klingendes "Mamaaaa" zu hören. Das Mädel hat es dann aber seiner Mutti nett erklärt und gezeigt.

Von daher habe ich, etwas Anleitung vorausgesetzt, überhaupt kein Problem damit, einem 10jährigen Kind z.B. einen kleinen 4 bis 5 Zoll Tisch Dobson oder auch einen aufgestellten, gängigen 6 bis 8 Zoll „Normal-" Dobson zur Handhabung und Beobachtung zu überlassen. Objekte die freiäugig gefunden werden können und mit einem Peilsucher anzuvisieren sind kann so ein Kind ruck zuck einstellen, im Bild halten und beobachten.

 

Da sehe ich persönlich mit ähnlich günstigen parallaktischen Wackeldackeln kleinerer Öffnung meistens mehr Probleme. Ordentlich montiert geht das aber auch sehr gut, Berührungsängste werden jedenfalls sehr schnell überwunden.

 

 

Nicht nur wegen der Kinder hat sich gezeigt, dass man für jedes Teleskop eine Aufsichtsperson aus den eigenen Reihen stellen sollte und dass pro Teleskop nicht mehr als vier, maximal fünf Kinder als Teilnehmer sinnvoll sind um Leerlauf, also Langeweile für sie zu vermeiden. Extrem wichtig ist nach unseren Erfahrungen neben Kostenfreiheit vor allem die Freiwilligkeit der Teilnahme für die Kinder, weil so zumindest ein grundsätzliches Interesse sichergestellt wird. Im Übrigen ist es überhaupt kein Problem, dass solche Aktivitäten meist nur in den Sommerferien gut planbar sind. Die Nächte sind zwar kurz, es wird sehr spät und eigentlich astronomisch gar nicht wirklich dunkel aber der Mond lässt sich schon wunderbar in der hereinbrechenden Dämmerung beobachten. Ebenso die Planeten wie Saturn und Jupiter, eventuell noch Venus und/oder Merkur mit Phasengestalt und genau das sind die spektakulärsten Ziele für Kinder, aber auch für ihre anfänglich oft höchstens mäßig interessierten Eltern. Da kommt dann von einem Kind: "die Venus sieht ja im Fernrohr aus wie der Sichelmond, das ist ja gar kein Punkt", und schon ist der Bogen für eine Erklärung oder gar einen Vortrag gespannt. Das alles geht sehr gut solange es noch nicht dunkel genug für Deepsky ist

Auch Sonnenbeobachtung mit entsprechenden Filtern und wirklich eindringlichen Erklärungen, dass der Blick in die Sonne selbst ohne Teleskop nur mit geeigneten Filtern ungefährlich ist, wird immer sehr gerne und aufmerksam angenommen, ganz egal ob H-Alpha mit dem kleinen 50mm Gerät, oder mit einem 12-Zöller im Weißlicht.

 

  

 

Nach Sonne, Mond, Planeten und eventuell noch der einen oder anderen Sternschnuppe ist dann die spätere Überleitung zu den hellen Deepsky Objekten nur noch reine Zugabe. Man sollte sich dabei m.E. mit Besuchern nicht auf schwache Galaxien und sonstige Wattepuschel stürzen, egal ob gerade Kinder oder die spätestens jetzt anwesenden Eltern am Teleskop sind. Onkel oder Tante werden auch nicht weggeschickt, die Kinder sollen aber immer Vorrang haben, was auch problemlos funktioniert. Gleich wie alt der Besucher aber sein mag: Die anvisierten Objekte müssen gewisse Qualitäten haben, um ein interessantes Beobachtungsziel zu sein:

- Bei Doppelsternen reicht es nicht, zwei getrennte Sternpunkte zu zeigen. Unterschiedliche Farben machen sie aber zu interessanten Objekten. Ebenso die Eigenschaft als Augenprüfer wie beim Paar , Mizar und Alkor. Ein leichter Defoks sorgt für etwas mehr Fläche und hilft oft bei der Farberkennung von Albireo & Co.

- Helle offene Sternhaufen – hier sind, M 11 und der Perseus Doppelhaufen für’s Teleskop zu nennen, die Plejaden freiäugig oder die Krippe (M 44) mit Fernglas ein Beobachtungstipp. Sie sind einfach zu erfassen.

 

 

- Kugelsternhaufen empfehlen sich, wenn Sie problemlos als Sternansammlung erkannt werden können. M 13, M 92, M 3 und M 15 sind hier die Standardkerzen aus dem Messier-Katalog, die mit 8 Zoll Öffnung einfach als das erkannt werden können, was sie sind.

 

 

- kompakte Sternbilder und Asterismen wecken immer als Kuriosum das Interesse. Delphin und Pfeil sind freiäugig, der Kleiderbügel bei geringer Vergrößerung Objekte, deren Sternmuster toll mit dem Namen korreliert. Die dann oft ähnlich lautenden Fragen sind auch wunderbare Aufhänger um etwas darüber zu erzählen, wie wir Menschen uns am Himmel Orientierung verschaffen, indem wir bekannte und einprägsame Muster merken.

Ein glücklicher Umstand bei sochen Gelegenheiten ist es auch, wenn mal ein Komet mit zumindest im Fernrohr respektabler Größe und Erscheinung zu sehen ist, also lohnt in der Vorbereitung immer mal ein Blick auf die bekannten Kometenseiten. Kometen bieten nicht nur faszinierende Anblicke sondern durch ihre schnelle Bewegung auch die Möglichkeit, aufzuzeigen, dass der Himmel sich fortwährend verändert.

 

Passend und/oder mit genügend Öffnung für ordentlich Auflösung angegangen, sind diese Renner zwischen den Fixsternen quasi Selbstläufer, während viele Besucher mit einem knall hell herausgefilterten Cirrus Komplex oder dem Hantelnebel durchaus Schwierigkeiten haben und erklärende Hinweise benötigen. Da darf man sich wirklich manchmal wieder an die eigenen Anfänge erinnern und seine Begeisterung für diese Objekte entsprechend zurücknehmen, um den unerfahrenen Beobachter nicht zu überfordern und dem aktuellen Vorhaben gerecht zu werden.

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Oha, so kann es gehen, damit stecken wir mittendrin in dem riesigen Thema der Hobbyastronomie  was denn nun da oben außer Sternpünktchen zu sehen ist und man könnte schon weiter galoppieren zu dem bodenlosen Fass der Debatten um den Umstand, dass und wie mit Zusatzoptiken/Fernrohren erst mal kleine, gut definierte Beugungsscheibchen der Sterne erreicht werden müssen, denn das ist nun beileibe nicht selbstverständlich. Das wird ganz schnell ufer- und ziellos, für Leute die nicht so tief im Thema stecken uninteressant bis ermüdend.

Fangen wir also zunächst mal mit unseren Gästen an, die häufig schlicht mit dem Erkennen eines Emissionsnebels, von schwächeren Galaxien, Mondrillen oder auch der Cassini Teilung in den Saturnringen überfordert sind. Wir sehen das am gleichen Ort, mit dem gleichen Teleskop, im direkten Wechsel locker.

Nein, der Gast hat nicht mal schlechtere Augen als wir, oft sogar bessere, aber er ist überfordert, weil er keine Erfahrungen mit solchen Anblicken hat. Ihm fehlt die Möglichkeit des Abgleichs mit bekannten Bildern die er mittels Verknüpfung Augen/Visus zum Hirn sein ganzes Leben lang speichert um bei Wiederholungen zwecks besserer, schnellerer Erkennung darauf zurückzugreifen. Man kann vereinfacht sagen, dass uns die Augen den Bildreiz geben, das Bild selbst entsteht aber im Gehirn.

Überfordert man die Leute schalten sie ab oder sie zweifeln sogar an dem Hokuspokus. Man bleibt also besser bei den wirklich hellen Standardkerzen und auch bei den Erklärungen ist Niveau Anpassung gefragt, wobei sich mir auch schon mal ein Astrophysiker erst zu erkennen gab, nachdem ich ziemlich viel geredet hatte. Er meinte aber, meine Antworten seien schon so weit gut verständlich und okay gewesen. Auch die Eingeständnisse, eine genaue Entfernung oder Größeneinheit nicht zu wissen, seien deutlich sinnvoller als falsche Antworten.

Oh ja, auch Kinder können ziemlich überraschende (Fach)Fragen stellen und so haben wir uns angewöhnt, neben einem bis zwei Referenten auch immer einen "Handy-man" am Start zu haben, der mal schnell etwas im Netz recherchieren kann und dann die Antworten direkt liefert.

Sidewalk Astronomie macht Spass, denn wir haben interessierten Menschen sehr viel zu bieten. Darüber hinaus kann man auch völlig unbedarfte Menschen erreichen, interessieren, für Aspekte sensibilisieren die sie einfach nicht auf dem Schirm hatten.

Das funktioniert, wenn man in Wort und Bild für Laien nachvollziehbar, verständlich und klar strukturiert bleibt.

Interessant ist auch, dass von alten Astromagazinen, die man stapelweise auslegt, bei keiner Veranstaltung ein einziges Exemplar liegen bleibt. Und sei es bei Kindern nur wegen der bunten Bilder. So hat es doch bei uns auch angefangen und wer von uns hat schon mal was in der "Astronomie heute" von 2012 recherchiert? Die Stapel fressen im Regel Platz oder landen ohnehin irgendwann im Altpapier, also lassen wir sie doch vorher gerne noch zu begehrten Beute von Kindern werden oder auch einen Erwachsenen durchblättern, bei dem die Saat der Sidewalk Astronomen eventuell aufgehen könnte.