Nachdem in letzter Zeit gehäuft Ideen zur Optimierung von Newtons auftauchen und ich selbst wohl ein wenig dazu beigetragen habe, dass eine Verkleinerung des Fangspiegels als simples und probates Mittel angesehen wird, möchte ich einige grundsätzliche Dinge dazu sagen. Es ist offensichtlich nicht immer klar, was man da eigentlich will und wie das geht. Das ist nicht mal eben getan, das muss bedacht werden.
Der Aufschwung der digitalen Astrofotografie bringt es mit sich, dass selbst günstige Newtons aus Fernost, ja sogar Dobsons als fotooptimiert oder zumindest fototauglich beworben werden. Jedes Newton-Teleskop ist fototauglich, nur eben haben die Hersteller und Händler auf den Trend reagiert, indem sie riesige Fangspiegel in Newtons einbauen und den visuellen Fokus 15 bis mehr als 20 Zentimeter über den Tubus legen. Was passiert da eigentlich? Nicht theoretisch, sondern praktisch.
Schauen wir uns den einfachen Strahlengang eines Newtons mal an:
http://www.seeing1.de/2a_justage.html
Der Fangspiegel lenkt den Strahlenkegel aus dem Tubus heraus und zum Brennpunkt. Je höher wir mit dem Brennpunkt über den Tubus wollen, um so weiter in Richtung Hauptspiegel muss der Umlenkpunkt verschoben werden, mit der Konsequenz, dass der Fangspiegel größer werden muss, um den dickeren Strahlenkegel voll zu erfassen. Das wird teilweise so weit getrieben, dass schon ein 2 Zoll Okularauszug vom Innendurchmesser her die Ausleuchtung vignettiert. Es ergeben sich extreme Obstruktionswerte, gerade bei kleineren Newtons, weil nun mal ein 50 mm Fangspiegel bei 150 mm Öffnung prozentual deutlich mehr Fläche ein-/wegnimmt als ein 70 mm Fangspiegel bei 250 mm Öffnung und beide machen es möglich, den Fokus etwa gleich hoch über den Tubus zu legen, weil das eben fürs Marketing so gewünscht ist und fotografisch zu passen scheint.
Daraus ergeben sich visuell deutliche Nachteile die man fotografisch nicht fürchten muss. Fotografisch kann man das Bild schärfen, bearbeiten, passende Belichtungszeiten wählen, Einzelbelichtungen addieren, die besten aus 100 auswählen. Das Auflösungsvermögen der vollen Öffnung ist ja da, den Kontrast und die Schärfe holen wir "beim Bügeln", also z.B. über Bildbearbeitung und -addition.
Das geht visuell nicht. Wir sind hier auf die Augenblickswahrnehmung angewiesen, auf das was das Auge unmittelbar sieht. Da brauchen wir bestmögliche Objekthelligkeit, Schärfe und Kontrast. Beim Newton kann man pauschal und nach der oft gewählten durchmesserabhängigen Rechnung (über die Fläche kommen wesentlich geringere Zahlen) sagen, dass etwa 25% Obstruktion okay sind, 20-25% wird man im direkten Vergleich mit einem gleichwertigen, nicht obstruierten Teleskop je nach Beobachtungserfahrung und Objekt mehr oder weniger deutlich sehen, unter 20% sieht man als normaler Mensch nicht. Außerdem ist es so, dass der Unterschied zwischen 33% und 25% wesentlich gravierender ist als der zw. 25% und 17%. Bei 30% und mehr muss die Qualität des kompletten Teleskops sehr hoch sein, sonst hat man zumindest in Hochvergrößerung ein deutliches bis dramatisches Abfallen der Schärfe und des Kontrasts zu erwarten. Nochmal: Bei gleicher Teleskopqualität sieht man den Unterschied zw. 33% und 25% Obstruktion deutlich.
Wie können wir nun die Obstruktion einer solchen Konstruktion verringern? Wir können nicht einfach den Fangspiegel kleiner machen weil wir damit riskieren, dass der FS nicht mehr den vollen Strahlenkegel einfängt. Das muss genau berechnet werden und es kann sein, dass wir z.B. bei einem 10-Zöller von 70 mm auf 63 mm runter gehen dürfen, ohne Öffnung zu verlieren und das zu 100% ausgeleuchtete Feld zu klein zu machen, was sich durch abfallende Bildhelligkeit zum Rand des Feldes hin auswirkt. Dabei rechnen wir schon damit, dass ein Abfall der Helligkeit von 100% auf 75% zum Rand nicht oder so gut wie nicht wahrnehmbar ist. Das fällt unserem Auge nicht wirklich auf.
Ein gutes Freeware-Programm für solche Berechnungen ist z.B. "MyNewton".
Okay, so ein gefasster 70er FS bringt uns am 10 Zöller satte 28,5 % Obstruktion ein, ein ungefasster 63er bringt es auf 25%. Das ist kein Quantensprung, aber wenn man unterstellen darf, dass die eingebauten Fangspiegel in den allermeisten Fällen keine sonderlich gute Qualität mitbringen (die Hauptspiegel sind hingegen inzwischen fast durch die Bank passabel bis gut), dann kann so ein Austausch mit gesicherter, guter Qualität schon sehr viel bringen und das ist selbst gesehene Praxis. Prädikat empfehlenswert.
Ein noch kleinerer Fangspiegel wird nur möglich, wenn wir den Fokus tiefer über den Tubus legen, also z.B auf die derzeit gängige, weil erforderliche 35-50 mm Verlängerungshülse am Okularauszug verzichten oder gar noch zusätzlich den meistens rund 70 mm hoch bauenden OAZ durch ein flacheres Modell ersetzen.
Beispiele von extrem lang bis kurz (ganz rechts)
Um das zu verwirklichen müssen wir zwingend den Abstand zwischen Hauptspiegel und Fangspiegel vergrößern. Der kleinere Fangspiegel muss dort hin, wo er den vollen Strahlenkegel locker einfangen und umlenken kann. Es ist kein Widerspruch, wenn ich sage, dass er an der richtigen Stelle positioniert, gerne einen oder auch drei Millimeter größer sein darf, als er unbedingt sein muss. Gehen wir mal von einem 100 mm hohen OAZ-Turm aus und sind von den restlichen Daten her mit dem 63er Fangspiegel im grünen Bereich. Verlängern wir den Tubus um 45mm, nehmen einen 54er FS und rechnen mit einem 55 mm hohen OAZ erhalten wir sogar noch geringfügig bessere Ausleuchtungswerte, näherungsweise haben wir diesbezüglich Gleichstand. Darüber hinaus haben wir aber nun die Obstruktion auf knapp 22% gesenkt, ein visuell sehr akzeptabeler Wert. Bedenken wir, dass wir mit dem gefassten 70 mm FS bei über 28% lagen, dann ist das ein Schritt der schon bei gleicher FS-Qualität definitiv sichtbar ist, bei gesteigerter Qualität ist das ein Durchbruch zu besserem, der Öffnung angemessenem Seherlebnis.
Wir könnten auch noch auf 50 mm Fangspiegelgröße hinunter, durchaus machbar, auch wenn das voll ausgeleuchtete Feld nun schon sehr klein wird und deutlich unterhalb der allenthalben als wünschenswert betrachteten 12 mm liegt. Nur noch 20% Obstruktion, whow! Ich selbst neige nicht zu solchen Empfehlungen, schon gar nicht pauschal. Ein zu kleiner Fangspiegel, ein eventuell nicht ganz idealer Randbereich des FS der dann zur Abbildung beiträgt, kann sehr schnell mehr verschlechtern als verbessern. Auch muss die Justierung wirklich sehr gut beherrscht sein, wenn man sich mit der FS-Größe im Grenzbereich bewegt. Man muss ihn schon sehr exakt in den Strahlenkegel stellen.
So habe ich meinen 6 Zoll F/6 Newton von satten 34% nur auf kapp 27% Obstruktion herunter geholt indem ich einen ungefassten 40 mm Fangspiegel verwende. Ein 35er FS (23%) wäre machbar, aber nur mit sehr flachem OAZ und trotzdem leicht schwächerer Ausleuchtung. Ich kann es noch ändern, aber ich weiß nicht, ob ich will, denn der Newton bietet ein saugutes Planetenbild. Die schwachen, pastelligen Kontraste von Jupiter kommen sehr gut, wie viele Beobachter, die schon mal an dem Gerät beobachtet haben, sicher bestätigen können. Dieser Fangspiegelwechsel war wie die Geburt eines neuen Teleskops, zumindest im Hochvergrößerungsbereich und auch im Weitfeldbereich gibt es absolut nichts zu meckern.
Wie schon erwähnt, ist es sehr schwer und nicht ohne Risiko, einen kleinen f/5 oder f/6 Newton auf Obstruktionswerte unter 25% zu drücken, größere Newtons kann man selbst bei extrem fotolastiger Auslegung kaum über 30% bringen.
Noch etwas gibt es zu bedenken und das ist der Hauptspiegel an sich. Ist er gut, lonht es sich, gibt es eventuell sogar ein Messprotokoll?
Ich habe z.B. diesen 8 Zoll Spiegel mit ordentlich vermessenem 0,84er Strehl.
Der größte verschlechternde Faktor ist bei diesem, wie bei sehr vielen anderen Spiegeln, die Mitte. Oft ist auch die Kante, also der Rand, schlecht und der Rest brauchbar. Okay, Kante kann man abdecken, das kostet Öffnung.
Den prominenten Zentralberg dieses Spiegels deckt der Fangspiegel ohne Öffnungsverlust ab. Das macht gut 0,1 Strehlpunkte aus. Der HS-Strehl liegt mit zentraler Abschattung deutlich über 0,9. Der Spiegel ist für meinen Dobson nahezu perfekt und er war als "Durchfaller" (wer kauft schon zertifizierte 0,84 Strehlpunktgurken teuer) sogar normal bepreist. In dem Fall verhindert die Obstruktion, dass der bedeutende Fehler des Spiegels zum Tragen kommt. Trägt ein solcher Zentralberg zur Abbildung bei kann man in Hoch- und Höchstvergrößerung bemerken, dass Details schwammig und weich werden, der Kontrast früh verloren geht. Die folgende Grafik zeigt unter anderem, was passiert.
Ein Zentralberg ist nichts anderes als eine Zone und eine fehlerhafte Zone drückt mehr Licht aus dem zentralen Beugungsscheibchen in die Beugungsringe, der Kontrast wird schwächer. Eigentlich ist das, von den sichtbaren Auswirkungen her, deutlich zu hoher Obstruktion recht ähnlich, nur heftiger.
Auch in weniger extremen Fällen wirkt sich Obstruktion, auf das notwendige Maß beschränkt, in der Praxis nicht so negativ aus wie theoretische, durchaus zutreffende Berechnungen glauben machen können.
Wer bis hier hingekommen ist möchte eventuell noch wissen, wie man denn nun einen Tubus sinnvoll verlängert. Da gibt es die Lösungen mit dem Versatz des OAZ nach vorne oder auch einer Blechmanschette hinten, die man einfach an den Tubus anschraubt oder mit Poppnieten befestigt. Letzteres habe ich bei meinem alten Skywatcher 8-Zöller durchgezogen, die äußere Tubusisolierung hat das Stückwerk gut kaschiert. Mit der Blechschere vorne ein neues Loch knabbern, das alte Loch zukleben und dann die Spinne versetzen, erscheint mir aufwändiger. Eine Tau-/ Streulichtkappe ist bei den modernen, zu kurzen Tuben ohnehin Pflicht, die muss dann etwas länger werden. Machbar ist das auch. Bei beiden Lösungen muss man sehr genau messen und ist dann festgelegt. Ich persönlich tendiere inzwischen dazu, eine Verlängerung mittels eines Stücks HP-Rohr oder eines anderen passenden Rohres zu empfehlen. Sinnvoll ist es, dieses Rohrstück ziemlich passgenau auf den zu kurzen Tubus zu stecken. Man nimmt es praktischer Weise etwa 2-3 mm größer als gefordert und vor allen Dingen so lang, dass es 100-150 mm weit auf den Blechtubus gesteckt werden kann. Eine Lage Velours ist im Tubusinneren ohnehin nicht schlecht (Streulichtschutz und leicht isolierende Wirkung) und das schiebt sich auch gut auf dem Blechtubus, der hier in aller Regel vorliegen dürfte. Da kratzt nichts und die Sache wird durch die Überlappung sehr justierstabil.
In HP (Hartpapier)-Rohre, auch in KG (Kanalgrund)-Rohre, kann man bestens Gewinde schneiden. Also kann man, wenn man die passende Fokuslage gefunden hat, die Tubusverlängerung mittels Rändel- oder Madenschrauben fixieren. Brauchbar ist auch, dass man einige Zentimeter variabel ist und sich die beste Position mit den Okularen im OAZ suchen kann. Wenn alle Okulare gut in den Fokus kommen, nicht zu nahe am unteren oder oberen Anschlag, dann passt das. Interessant ist diese Lösung auch, wenn man den alten OAZ mal leid ist und der neue hat dann eine andere Bauhöhe. Auch für Versuche mit noch kleineren Fangspiegeln wäre man in dem Fall offen, solange die Verlängerung nicht an der Grundplatte des Dobsons anschlägt.
Bis hier hin ist das Ganze rückbaubar, also beschädigungslos. Nicht ganz unwichtig, wenn man Mal zum Verkauf des Newtons schreiten will.
Bei meinem 8-Zoll f/5 habe ich das mit einem Stück Kanalgrundrohr DN 250 durchgezogen, passt mit Veloursfolie unterlegt prima auf den Blechtubus und die Spiegelzelle lässt sich dann einschieben.
Den Platz für den Lüfter habe ich dabei auch gleich gewonnen.
200er KG Rohr ist für 6-Zöller nicht nur als Verlängerung, sondern sogar als Kompletttubus tauglich und das setzt sich zu kleineren Größen hin fort. Das 250er KG-Rohr ist aufgrund seiner Dicke für einen 8 Zoll Volltubus schon recht schwer. Das dünnere, meist graue HT-Rohr ist zu instabil und damit für gute Fernrohrtuben unbrauchbar.
Eine der günstigsten und leichtesten Varianten stellen solche Muffen/Manschetten
aus dem Lüftungs- und Klimabau dar. Da gibt es recht viele brauchbare Maße zum Ein- oder Aufstecken. Daneben eine Kombi aus einen Reststück HP-Rohr und einem DN 160er KG-Rohr
Gleich noch mit einem Binoansatz ohne GWK rumspielen geht so leider nicht. Dazu muss man den Tubus zusätzlich absägen und braucht ein deutlich längeres Rohrstück (etwa +130 mm). Allerdings behält man so auch die Option, den Newton wechselweise mit dem größeren (alten) FS auszustatten und sich bestens ausgeleuchteten fotografischen Ambitionen hinzugeben. Ach ja, die Spiegelzelle und der Hauptspiegel lassen sich dann in das HP Rohr (oder auch KG-Rohr) einbauen, die Originalzelle setzt sich also nicht hinten auf, sondern rein (wenn man gut gemessen hat). Hier muss man ebenfalls die entsprechenden Löcher bohren und braucht etwas längere Schrauben. Wer noch gleich den saugenden Lüfter verstecken will, nimmt das Rohrstück 30-50 mm länger. Wieder aufpassen ob das noch mit der Rockerbox kompatibel ist oder auch darauf, dass schwachbrüstige Montierungen Verlängerungen der Hebel mit weichen Knien quittieren und sich die Ausschwingzeiten verlängern werden. Wer das Rotbraun der HP Tuben nicht mag, der kann das Rohr auch in allen Farben lackieren, das geht prima. Wer Stückwerk nicht mag, der kann auch gleich einen kompletten HP-Tubus ordern, Gerd Neumann macht so was zum Beispiel. Sogar mit allen Löchern auf Maß und mit Wunschlackierung, soweit ich weiß.
Hier die Variante mit dem langen unteren HP-Tubusstück, auch der obere Teil ist verschiebbar, Binoansatz kein Problem, egal ob mit GWK/Barlow oder ohne.
Abschließend nochmals der Hinweis, dass man den Fangspiegel nicht zu groß, aber keinesfalls zu klein wählen sollte.
Der Schuss geht nach hinten los. Ich habe jahrelang meinen Dobson mit einem 12 Zoll f/5,3 und einem einspiegelbaren 6 Zoll f/4,8 Spiegel betrieben. Diese "Mythossäge" hatte für beide Hauptspiegel einen 54 mm Fangspiegel eingebaut und das war rechnerisch noch okay, wenn auch von der Ausleuchtung her für den 12-Zöller grenzwertig. Das Monster wurde mir mit den Jahren zu schwer und als noch einige Renovierungsarbeiten fällig waren, habe ich aus dem Ding zwei Teleskope gemacht.
Dabei bekam der 12-Zöller einen guten Fangspiegel mit 63 mm Durchmesser (kleine Achse) verpasst. Die bessere Ausleuchtung tut dem Teleskop, gerade bei geringen Vergrößerungen und großen Feldern, also mit dem 30 mm UWA oder auch dem 20er UWA sehr gut. Rechnerisch wäre in der neuen Konfiguration auch noch ein 58 mm Fangspiegel drin gewesen, aber das ist mir zu spitz gerechnet.
Der 6-Zöller ist inzwischen das Teleskop für den schnellen (Reise-)Einsatz und auf dem Balkon gesetzt, nicht nur für die Sonnenbeobachtung.
Bei einem 12-Zöller kommt es nicht auf 17% oder 20% Obstruktion an, wenn sonst alles passt. Kann man einen 6-Zöller von 35% auf 28% drücken, lohnt sich das, nach selbst gemachter Erfahrung, extrem.