10.02.2022
Die MTF, also die Modulationstransferfunktion oder auch Modulationsübertragungsfunktion, ist (nicht nur) laut Wikipedia..... die mathematische Beschreibung des Vergleiches zwischen dem Detailkontrast an Kanten eines Objektes und dem Detailkontrast dessen bildlicher Darstellung. Eigentlich also eine ganz simple und undramatisch an Fakten fest zu machende Größe.
Nachdem man sich lange und emsig daran abgearbeitet hat, den Begriff Strehl zu schreddern kommt es auch immer mehr in Mode, mit der MTF unverständig oder falsch zu argumentieren und/oder den Begriff dabei eben so zu gebrauchen, wie es für die eigene Argumentation nützlich erscheint. Das Ganze dann mit Grafiken, z.B. aus diesem empfehlenswerten(!) Standardwerk abgeleitet unterfüttert macht schon mal was her.
Kürzlich wurde wieder mal, mit Grafik untermauert, der Schluss gezogen, einem 250er Newton sei ein "quasiperfektes unobstruiertes Teleskop" mit 200 mm Öffnung gleichzusetzen! Da machen wir mal besser ein dickes Fragezeichen dran oder sagen besser gleich, dass das falsch ist.
Wie kommt man aber immer und immer wieder darauf?
Wieder mal wurde der ewig verballhornte Kontrastdurchmesser nach Herrn Zmek bemüht. Der arme Kerl kann einem posthum noch leid tun.
Er postulierte bei 20% Kontrasten und unter Annahme von einem hohen Obstruktionswert einen näherungsweisen Gleichstand zwischen einer größeren obstruierten Optik und einer kleineren unobstruierten Optik. Das kann man tatsächlich hin bekommen, nur betrifft es genau diesen ganz speziellen Fall, quasi einen einzigen Punkt aus einer langen Linie und zu anderen Kontrasten hin ist die obstruierte Optik auch mal im Vorteil.
Okay, was wird nun aber in der Regel daraus gemacht!?
Diese Denk- und Argumentationsweise sowie auch die dazu gemalte Grafik setzen die Eckpunkte für die Auflösung von 200 mm und 250 mm Öffnung punktgenau gleich und ziehen dann mal eben linear den 50 mm Fangspiegel von der Öffnung ab. Fertig ist der Kontrastdurchmesser, whow!?
Ein Teleskop mit 250 mm Öffnung hat aber nun mal ein deutlich höheres Auflösungsvermögen als ein Teleskop mit 200 mm Öffnung. Öffnung ist der bestimmende Faktor für Auflösung. Berücksichtigt man das in einer solchen Grafik richtiger Weise sieht sie in etwa so aus.
Es ist physikalisch/optisch gar nicht anders möglich, als dass die perfekte 200 mm Öffnung (rote Linie) mit zunehmender Auflösung hinter der perfekten 250 mm Öffnung (blaue Linie) zurück bleibt.
Näherungsweise perfekt zu nennen ist ein visuell absolut farbreiner, also sehr guter und mit 200 mm Öffnung sehr teurer APO. Das wird ein ziemlich langes und ziemlich schweres Rohr mit ca. 2 Metern Brennweite und das will auch gut montiert sein. Zwar erreicht auch die allerbeste Rechnung beim Refraktor die theoretisch mögliche Idealkurve nicht und kein real existierendes Fernrohr erreicht die für das Design bestmöglichen Rechenwerte aber egal, lassen wir die Idealkurven einfach mal als Näherung an eine perfekte Möglichkeit so stehen, denn auch die Kurven für die obstruierten Teleskope sind idealisiert.
So viel Geld wie für den APO, "nackich" ab etwa 30.000 Euro +x, kann man für einen sehr guten 250er Newton/Mak-Newton gar nicht ausgeben, selbst wenn man ihn schon als Dobson oder sonstwie mit GoTo und allen Schikanen ausstattet. Zudem kommt man in der Größe und bei der finanziell problemlos machbaren guten Bauweise locker mit 20% Obstruktion hin. Das wäre dann die grüne Linie. Da kann man sich anstellen wie man will, diese grüne Linie fällt niemals unter die rote Linie, sie bleibt konstant und deutlich darüber.
Es gibt allerdings auch, hauptsächlich für fotografische Zwecke, größere Spiegelteleskope mit bis zu 50% Obstruktion. Ich habe so was mal orange eingezeichnet und tatsächlich, da wird im visuell relevanten Bereich der Kontrast des 250 mm Teleskops überwiegend schlechter als der des idealen 200 mm Teleskops ohne Obstruktion. Nur um das mal anhand von Zahlen klar sichtbar zu machen: Da deckt ein 125 mm messender Fangspiegel die Mitte eines 250 mm messenden Hauptspiegels ab. Das ist mal ein wirklich massives Hinderniss für Licht im Strahlengang. Diese Geräte haben fotografisch dennoch ihre Berechtigung und es werden geniale Ergebnisse damit erzielt, da sie immer noch viel Licht sammeln und Auflösung immer noch an die Öffnungsgröße gebunden ist. Man kann die geschwächten Kontrastbereiche mittels Bildbearbeitung wieder anheben.
Hier zeige ich mal ganz normale Jupiterfotos von Sven, die an einem 8-Zoll Newton entstanden sind und verlinke auch auf seine
Seite, wo man sich auch das "making of" und weitere Aufnahmen anschauen kann.
Dazu noch zwei (Vergleichs)Zeichnungen, die ich am 12 Zoll Dobson anfertigen konnte.
Ich habe mich, als ich schon wieder über diese Thematik stolperte gefragt, warum da über Öffnungen von 200/250 mm (8/10 Zoll) debattiert wurde und wird. Es gibt im Bereich von rund 70 bis 130 mm, also etwa 3-5 Zoll, kaum vernünftig gebaute Spiegelteleskope und Obstruktionswerte unter 30% auch nicht, zumindest nicht ohne Selbstbau auf Spitz und Knopf. Gute Apos gibt es in den kleinen Öffnungsklassen dagegen massenhaft und sogar schon im bezahlbaren Bereich für "Otto Normal".
Kann sein, es ist einfach so, dass der inzwischen etwas bekannter gewordene Zusammenhang zwischen Öffnung und Auflösung dazu reizt und zum guten Schluss soll dann das ach so schlechte deutsche Seeing oder das Möndchen/Begleitsternchen hinter der Fangspiegelstrebe (es gibt definitiv MAK-Newtons ganz ohne und es gibt curved spiders) den Griff zum kleineren APO erklären.
Nunja, Sven steht gewöhnlich (auch genau für die gezeigten Bilder) auf einem gepflasterten Hof in der Stadt und ich stehe oft mit dem 12-Zöller auf der mit Betonplatten belegten Terrasse im Garten und schaue über die lockere Bebauung in der Nachbarschaft.
Ich habe auch den Vergleich mit meinem 6-Zoll Dobson (curved Spider) der auf dem Balkon solche Zeichnungen zulässt.
Das schlechte Seeing ist also auch bei uns, selbst an eher ungünstigen Standorten, nicht das zwingende Argument gegen Teleskope mit Öffnungen von 8 Zoll plus X und damit auch nicht das Argument gegen ein obstruiertes Spiegelteleskop im visuellen oder fotografischen Einsatz.
Natürlich kann ich am 12-Zöller längst nicht immer über 300fach oder gar 400fach einsetzen, weil eben das Seeing es nicht zulässt, aber manchmal geht es sehr wohl und sehr gut, selten geht sogar noch mehr.
Das ist aber noch nicht mal der springende Punkt.
Der 12 Zoll Newton-Dobson ist bereits bei 200 bis 250fach einem gleich guten 8-Zöller allein schon durch das deutlich höhere Lichtsammelvermögen und mehr Detailauflösung, also z.B. entsprechend sattere und nuanciertere Farben, sehr deutlich überlegen. Unser Visus ist ja auch individuell und nicht perfekt, aber solche Vor- und Nachteile nimmt er immer mit. Das trifft übrigens auch schon bei wesentlich kleineren Öffnungen zu, selbst wenn die Öffnung zu klein ist, um das zum Beobachtungszeitpunkt herrschende Seeing überhaupt aufzulösen.
Befasst man sich mit größeren unobstruierten Teleskopen, also z.B. APOs über 5 Zoll Öffnung oder gar dem eingangs in Rede stehenden 8 Zoll Refraktor, dann haben diese Teleskope die gleichen Seeing-Probleme wie jedes entsprechende Spiegelteleskop auch. Unterteilen wir das Seeing in atmosphärisches, örtliches und teleskopeigenes Seeing, dann bleibt festzustellen, dass große Refraktoren sehr lange Auskühl-/Anpassungszeiten benötigen. Bei einem entsprechenden Spiegelteleskop, z.B. einem Newton, kann man diese Zeiten durch Belüftung und Isotuben erheblich reduzieren.
Wenn wir also von guten Teleskopen sprechen, dann können das nur gut gefertigte UND temperaturangepasste Teleskope sein, mit denen man dann auch nur durch äußere Seeingeinflüsse und bestenfalls durch das öffnungs- und visusbedingt begrenzte Auflösungsvermögen in der Vergrößerungsfähigkeit eingeschränkt wird.
Sehr entscheidend ist hier natürlich die Wahl der passenden AP (Austrittspupille) , denn auch wenn das Seeing mehr Vergrößerung zulässt, sind der Sinnhaftigkeit hier Grenzen gesetzt. Für den Fall, dass durch zu große AP ein zu helles (Planeten)Bild erzeugt wird, was zu Blendung und Überstrahlung führt, gibt es entsprechende Grau- und/oder Doppelpolfilter.
Nachtrag vom 15.02.22 für Interessierte, denen die (Foren)Quellen bekannt sind.
Mit Aktualität vom 14.02.2022 wurde der Thread, auf den sich dieser Artikel letzten Endes ursächlich bezieht, nachdem er schon länger nicht mehr frequentiert war, nochmals aktiv.
Die realen Gegebenheiten wurden in neuen Beiträgen beschrieben und mit mehreren, nunmehr passenden Grafiken nachgebessert.
Dies geschah sicher rein zufällig und hat natürlich mit diesem Artikel vom 10.02.2022 nichts zu tun.
Der anschließende Smalltalk Klamauk im Forenthread zeigt auf, warum ich mir das Forengeplänkel nur noch aus der Ferne betrachte und manchmal die ärgsten Stilblüten kommentiere. Information ist fast nicht mehr unbeschadet zu transportieren. Es geht immer wieder nur noch um Be- und Empfindlichkeiten.
Man könnte ja einfach mal in den Shops nach einem guten 4-5 Zoll Newton oder sonstigen Spiegelteleskop suchen, welches einen ebenso guten Vollapo mit einem Zoll weniger Öffnung schlägt. Das würde ziemlich schwer, ich selbst kenne da nichts, weil es an dem guten Newton in dieser Öffnungsklasse schlicht fehlt. Ich hatte mal einen sehr genialen 127er Intes-Micro MAK-Newton zur Reparatur hier, aber die Teile sind selten und inzwischen eher Museumsstücke.
Das wäre aber wohl zu einfach.
Nein, da muss der Typ mit dem Supervisus und der zusätzlichen Supererfahrung aus dem Kasten springen, der nur das eine Ziel hat, die Blindfische mit ihren 10er Spiegelteleskopen mit seinem 5er APO zu "versägen". Mag ja absolut zutreffend sein, dass es Leute gibt, die mit 10 Zoll Öffnung weniger sehen als andere Leute mit 5 Zoll Öffnung. Warum soll aber der Typ mit dem Supervisus mit 5 Zoll Öffnung zufrieden sein, wenn er doch mit 10 Zoll Öffnung mehr sehen könnte als der Blindfisch mit einem 24-Zöller!? Was ist das überhaupt für ein (Denk)Ansatz, es geht doch um das möglichst detailreiche Beobachten von Objekten mittels Fernrohr.
Ohnehin ist das alles Mumpitz, denn regelmäßig sind es die Leute mit den superscharfen Augen, die auch superscharfe Teleskope haben, weil sie damit durchaus auf mehr als das doppelte und dreifache des Optikdurchmessers hochvergrößern können, ohne dass die Superschärfe nachlässt. Das sind dann z.B. an einem 100 mm Apo durchaus 300fach (es geht auch besser) und damit 0,33 mm AP. Dazu muss man wissen, dass Leute mit halbwegs scharfen Augen spätestens bei rund 1 mm AP (es geht auch besser) punktförmige Abbildung in Beugungsscheibchen auflösen, also im Beispiel bereits bei 100fach und die werden dann mit kleinerer AP, völlig physik- und optikkonform, zunehmend größer, flächiger......! Da beißt sich was und zwar (super)gewaltig.
Nun gut, das alles ist für die tatsächlichen Sachverhalte völlig irrelevant und soll letztlich nur verdecken, dass einfach das Eigene, Kleine, Feine, Geliebte doch irgendwie von Grund auf besser sein muss, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Ob ich einen Supervisus habe oder nicht, ist dem genutzten Teleskop egal.
Die physikalischen und optischen Gesetzmäßigkeiten gelten in JEDEM Fall.
Sie gelten auch auf jeder Wiese und auf jedem Beobachtungsplatz.
Eine etwas umfassendere Betrachtung zum Thema Öffnung/Obstuktion gibt es auf dieser Seite in dem Beitrag "Ein Zoll mehr und gut ist das".