Die äußeren Rahmenbedingungen für unser Hobby werden ja nun wirklich nicht besser, sondern immer ein wenig schlechter. Licht- und Luftverschmutzung nehmen zu. Dunkle Plätze zu finden wird vielerorts zunehmend schwieriger, noch seltener ist gute Horizontsicht anzutreffen. 

Ich gehöre sogar noch zu den Privilegierten, wohne im ländlichen Bereich und komme in mondlosen Nächten an leicht erreichbaren Plätzen noch durchaus auf 6 Mag + X, aber das ist nicht immer drin. Im Normalfall bin ich aber mit meiner Sucher-Finder-Kombi aus Rigel-Quickfinder, 8x50 Winkelsucher mit beleuchtetem Doppelfadenkreuz-Okular und dem weitwinkligen Übersichtsokular im 12-Zöller, auch bei schwierigen Objekten, zügig erfolgreich.

 

Gerade diesen Winter und eben jetzt, in der kalten Schönwetterphase zum Monatswechsel Februar/März 2022 fiel mir mehrfach auf, dass der übliche Horizontdunst sehr hoch reichte. Südlich recht tief stehende Objekte waren, selbst für mich, oftmals schwierig aufzufinden. Mir fehlten schlicht die kleineren Leitsternchen, die manchmal das Starhopping erst zielführend machen.

Okay, Leute die solche Probleme immer haben greifen gerne und völlig zu Recht zu GoTo, PushTo oder digitalen Teilkreisen. Das ist schlichte Frustvermeidung, weil so manche zeitintensive und letztlich doch oft erfolglose Suche wegfällt. GoTo findet, gut eingestellt, die Objekte recht zuverlässig und man kann sie beobachten.

Mir ist so was meistens eher lästig und auch zu teuer für den recht seltenen Bedarf, aber irgendeine Abhilfe für Spezialfälle sollte her und eine gute, grundsätzliche Idee für Dobsons ist im VDS-Magazin 79 mit dem Artikel "Schubsen mit Pfiff" veröffentlicht.

Den Drehteller des Dobsons ziert eine 360° Skala mit Anzeigenadel und auf dem Tubus sitzt ein digitaler Gradmesser mit Magnetfuß.

Das Ganze kostet einen findigen Bastler gerade mal die 35 Euro für den guten Winkelmesser von ELV, die Skala und der ganze Rest entsteht in der Werkstatt, notfalls am 3D Drucker.

Gebastelt hätte ich das Ganze noch, aber mir war klar, dass der Kram nach der Testphase verstaubt, weil ich den Aufwand mit zusätzlichen Anbauten, Einnorden, in Waage bringen pp meistens nicht machen will. Ich will schnell und effizient am Himmel sein und meine Beobachtungen, auch die Aufsuche und das Finden, genießen. Zudem käme, wegen der verstellbaren Füße, mein 12-Zöller ein paar Zentimeter höher und dann könnte ich im Zenit nicht mehr ohne einen kleinen Auftritt einblicken. Das ist der Grund, warum ich meine EQ-Plattform nur noch selten nutze, nicht mal zum Zeichnen. Der Dobs darf nicht höher kommen, er ist so schön bequem, wie er ist.

Wie speckt man diese Sache nun ab, kann sie nutzen, ohne zu viel Funktion einzubüßen, das war die Frage.

Wegen der Azimutskala muss das Ding eingenordet sein.

Aufgrund der Verbindung der Azimutskala mit dem Winkelmesser für die Höhe muss das Ding genau senkrecht und auch waagrecht stehen.

Kann ich den Neigungsmesser für die Höhe alleine gebrauchen, ohne einzunorden, auch wenn der Dobs nicht im Lot und in Waage steht?

Ja, es geht!

Erforderlich ist dafür natürlich, dass ich die aktuelle, zeitlich recht genaue Angabe der Höhe des gewünschten Objekts im azimutalen Koordinatensystem kenne. Dafür gibt es jede Menge APPs und Planetarium-Programme, wo man zeitnah, sogar direkt am Teleskop, nachsehen kann. Okay, auch rote Displays sind einer guten Dunkeladaption nicht förderlich. Einen Tod muss man sterben, oder man holt sich schon vor der Beobachtung, im Rahmen der Planung, Tabellen mit den Angaben aus den Programmen. Interessant ist in dem Zusammenhang auch das Thema Rotlicht und Kartenlesen.

Der Höhenmesser wird geeicht geliefert und man kann ihn bei Bedarf selbst nacheichen. Das Display lässt sich abklappen und in der Neigung verstellen. Es ist nicht beleuchtet, die Schrift groß und unter Rotlicht sehr gut ablesbar. Er zeigt immer die Höhe nach dem Alt/Azimut Koordinatensystem, also die Neigung gegenüber der waagrechten Null Linie, in Grad über oder unter diesem waagrechten Horizont an, in die er mit seiner Basis ausgerichtet ist. Es ist also völlig egal, wie schief der Dobson auf einem Acker steht, denn der Winkelmesser misst die Abweichung von Null Höhe in Grad und nicht die Strecke. Die Schieflage bedingt nur eine Abweichung im Azimut.

Nun muss man den Winkelmesser, oder besser seine Halterung, natürlich noch auf die Optik einrichten, wenn man es ganz genau haben will. Der Strahlengang läuft ja nicht zwangsläufig exakt durch die Mittelachse des Tubus, dessen Wandung aber natürlich (bei einem guten Tubus) genau dieser Mittelachse folgt. Bei jedem Justiervorgang an der Optik verschiebt man die optische Achse und wer mal in Höchstvergrößerung am Stern (Polaris) justiert hat, weiß wie schnell der Stern bei kleinsten Drehungen an den Justageschrauben wandert. Es kommt also darauf an, wie genau man es will und/oder braucht.

Die Halterung ist zunächst mal provisorisch und dann schaue ich mal im Langzeittest, ob das so genügt oder ob ich es genauer haben will. Bis hier hin passt das. Ein wenig Nachbiegen nach den ersten Missweisungen und nun bin ich bei meinen gängigen Objekten (Sonne/Mond, M 46, M42 und ein paar Sternen) bei immer wieder reproduzierbaren 0,0 bis 0,3 Grad Missweisung in der Höhe.  Das liegt an einer gewissen Trägheit des Geräts bei der Reaktion auf winzige Bewegungen und auch ein wenig daran, dass ich ja in der Breite immer noch "suchen" muss. Dabei bewege ich schon mal den Tubus auch ein wenig in der Höhe. Ich habe ja nur die Höhe genau eingestellt, die Breite stelle ich nach wie vor nach alter Väter Sitte ein. Dabei ist es eine gute Idee, nochmal nach dem Display zu schauen, ob man die Höhe verändert hat.

Ich weiß z.B., dass der Spirograph-Nebel (IC 418) Mit den Sternen Rigel und Saiph (53 ORI) ungefähr ein gleichschenkliges Dreieck bildet. Nun bräuchte ich für eine schnelle, erfolgreiche Aufsuche aber noch die Verbindung zwischen 53 ORI und dem noch deutlich tiefer stehenden 5 LEP, um die Höhe genauer einzugrenzen und ein zweites Dreieck mit Rigel zu bilden. 5 Lep bleibt mir aber schon mal in der Horizontaufhellung verborgen.

Die App oder das Programm gibt für den 08.03.22, um 21.00 Uhr, an, dass IC 418 auf 20° 20' Höhe steht. Ich stelle diese Höhe ein und fahre in den Eckpunkt des Dreiecks mit Rigel und Saiph. Da geht es dann derzeit noch maximal um 0,5° bis IC 418 mittig steht. Das bedeutet, ich kann schon mit bis zu 120fach aufsuchen und/oder mich an Begleitsternchen, die ich im Übersichtsokular sehe, orientieren.

 

Okay, nun kommt es bei diesem zarten, feinen, durchscheinenden Objekt sehr darauf an, ob die Horizontaufhellung hauptsächlich durch Licht oder durch Dunst (Staub, Wasserdampf pp) hervorgerufen wird. Ist es hauptsächlich Licht kann man dem Spirographnebel mit hoher Vergrößerung und entsprechend abgedunkeltem Himmel, also bei passender Austrittspupille, durchaus gut beobachten. Je mehr Wasserdampf oder Staub ins Spiel kommt, um so schwieriger wird das. Mit helleren PNs oder auch Sternhaufen ist das oft deutlich einfacher.

Ein Versuch lohnt in jedem Fall.

An sehr leichtgängig eingestellten Dobsons kommt es oft vor, dass man beim Okularwechsel schon mal das Objekt verliert, z.B. schlicht weil sich das Rohr ohne das Okulargewicht aufrichtet. Gerade wenn es um hohe Vergrößerungen und kleine Gesichtsfelder geht, ist es dann ein Vorteil, wenn man den aktuellen Wert für die Höhe des Objekts vorher nochmal am Winkelmesser abgelesen hat und wieder einstellen kann. Dann braucht man nur noch in der Breite ein wenig nachgehen und muss nicht nochmal zu niedrigen Vergrößerungen und größeren Aufsuchfeldern zurück.  

Eine weitere nutzvolle Anwendung sehe ich in der Aufsuche von Mond, Planeten oder Sternen am Tage oder in der Dämmerung, z.B. Merkur oder Venus, wenn sie nicht oder eben schon bevor sie mit freiem Auge sichtbar sind. Mit den Winkelmesser reduziert sich die Suche im Zielgebiet auf den Breitengrad, die Höhe hat man.