Ein Versuch Faszination zu beschreiben.

 

Da die letzten Tage von hohem Dunst und mangelnder Horizontsicht geprägt waren entscheiden sich Fred und ich erst in den Abendstunden, rauszufahren. Der Himmel wird sich passabel entwickeln, zwei Sternenfreunde werden noch angerufen, haben aber andere Pläne.

 

Schon in der Dämmerung kommen wir an unserem Platz an, ein Waldparkplatz mit freier Sicht, nur im Norden stört der nahe Waldrand, aber der Platz ist sehr gut gegen das Störlicht umliegender Dörfer abgeschirmt.

Aufbau der beiden 8“ F/6 Dobsons im Hellen und langsame, gemütliche Vorbereitung, auch der Tisch für Kaffee und Freds belgische Schokolade fehlt nicht, so lieben wir das.

Fred hat wieder an seiner EQ-Plattform getüftelt und ich will endlich Mal einen Härtetest mit meinem aufgesattelten 4“ Richfieldrefraktor durchziehen, Hauptziel ist die Tour durch den Virgohaufen.

 

Nach Abschluss der Vorbereitungen ist Venus schon sehr präsent und lohnt einen Blick. Über Polfilter stark abgedunkelt ist die Phasengestalt schön zu erkennen, die noch ausreichende Höhe beschert bei 120fach ein erstaunlich ruhiges Bild obwohl der Lüfter des 8-Zöllers erst wenige Minuten läuft.

Die letzten Spaziergänger kommen vorbei…nein sie kommen eben nicht vorbei und werden natürlich mit einem Blick auf Venus für ihr Interesse belohnt. Wie das so ist strahlt inzwischen auch Saturn verlockend und schnell sind beide Dobsons für die Besucher eingerichtet. Schon bei 120fach gibt’s A und O zu hören und dann „Entschuldigung…ist weg!“ Wieder eingefangen wird dann auch vorsichtiger herangegangen und immer wieder erstaunt es mich, wie selbst absolute Laien nach kurzer Einweisung klar kommen, auch 300fach klappt bei 80° großem Feld mit der Durchlaufmethode noch gut. Cassini-Teilung, Bauchbinde und vier Monde des „Herren der Ringe“ sind auch für Newbies kein Problem. Man bedankt sich überschwänglich und im Abgang wird das einzigartige unvergessliche und vor allem unerwartete Erlebnis weiter besprochen.

Wir grinsen uns eins schauen hoffnungsvoll in die fortschreitende Dämmerung und machen uns nun selbst über eine wirklich sehr sehenswerten Saturn her, das Seeing ist erstaunlich gut, ich gebe Mal 6-7 von 10, der leichte Wind hat nur am Horizont etwas von dem Dunst übrig gelassen und die kurze Überprüfung der Justierung am Stern ergibt keinen Handlungsbedarf.

Ein kurzer Abschiedsblick auf den sinkenden Orion bringt den Nebel im immer noch aufgehellten Westhorizont wenig zur Geltung, aber im 4“ Richfielder ist das auch ein sehr schönes Sternfeld. Erinnerungen an kalte Winternächte machen mir bewusst, dass ich Mitte April in kurzen Ärmeln unterwegs bin, ok die Fleecejacke kann man nun vertragen.

Noch Mal rüber zu Venus, der 4-Zöller hat ja ein riesiges Feld, aber für einen guten Anblick der Plejaden und der Venus in einem Feld reicht es aufgrund des Abstandes und der Randunschärfen nicht ganz.

Also rüber zum Krebs, da ist es auch schon fast richtig dunkel und M 44, die Krippe, schwebt bezaubernd im Feld. Der Sternhaufen ist im 8er bei 2° Feld formatfüllend, aber nicht schöner. Das ändert sich bei dem kleineren, weit entfernten Nachbarn, M 67. Grieselig im 4-Zöller löst ihn der 8-Zöller in einen herrlichen kompakten Sternhaufen auf.

Da war doch ein Komet in den Füßen des Löwen, wieder Mal was vergessen, nicht richtig vorbereitet, eine kurze, unmotivierte Suche bleibt erfolglos, es wird auch Zeit, sich den eigentlichen Zielen des Abends zu widmen. Fred hat im kleinen Wagen schon etwa 5,9 Mag. Grenzgröße abgeklärt, also schauen wir doch Mal am Leo-Trio um M 66 was so geht.

Da geht was, im 4-Zöller alle drei GX klar erkennbar, im 8-Zöller schon bei 30fach sehr eindrucksvoll. Im 18er Speers (mit 10 mm Hülse auf 17 mm gedrückt, mit verbesserter Randschärfe an F/6) sind die drei GX immer noch gut in einem Feld und zeigen sich bei knapp 3 mm AP und 70facher Vergrößerung sehr hell und in respektabler Größe.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei M 95 und 96 sowie 105 mit ihrer schwachen Begleiterin.

 

Ich treffe die Entscheidung, den kleinen Refraktor mit großem Feld bei 25facher Vergrößerung zur Virgotour auszustatten und das 17er Speers im Newton zu belassen, der

Deepsky Reiseatlas liegt bereit, Fred wird aber die Führung der Tour übernehmen. Er stützt sich auf eine präzisere ausgedruckte Karte, Rieglfinder, seinen Winkelsucher und ein 20 mm WW-Okular.

Gleichzeitig macht sich die Erkenntnis breit, dass die Augen etwas Ruhe brauchen und ein Kaffee wäre auch nicht schlecht. Dabei streift der freie Blick über einen atemberaubenden Sternenhimmel der inzwischen 6 Mag. Grenzgröße geknackt hat. Das 10 x 50 Zeiss Jena zeigt die vier Fuhrmann-Sternhaufen schon recht tief westlich, aber beeindruckend klar, nochmals im Süden die Krippe (schon freisichtig ein heller Fleck) und M 67, man könnte jetzt schon mit dem Abend glücklich sein obwohl das Vorhaben Virgo noch nicht angegangen ist.

 

Fred wirft die Bemerkung hin, dass M 51 heute auch gut sein könnte und schon ist die Pause beendet. Bingo, M 51 ist saugut. Hatten wir uns kürzlich noch mit den 8-Zöllern schwer getan und Spiralstrukturen nur indirekt erkannt, strahlt heute das wechselwirkende Paar wie jüngst im 12-Zöller des Kollegen Frank. Ein Hochgenuss, auch noch im 10er Speers, der zu längerem Verweilen und indirekter Sehtechnik einlädt. Was zwei oder drei Zehntel Grenzgröße ausmachen ist schon sehr erstaunlich.

 

Nun aber endlich Virgo. Von ß-Leo ausgehend hat Fred das markante Sternen – T – im Winkelsucher schnell gefunden, ich tu mich im Refraktor schwer, habe zu viele Sterne und schon GX in Menge, aber es soll ja eine ordentliche Tour werden. Mit Freds Hilfe hab ich dann nach einigen Anläufen das –T- im Griff um M 99 in seiner Mitte.

Fred spricht mich durch, aber erst langsam stellt sich ein Gefühl für die Refraktor/Newton Kombination mit unterschiedlicher Bildorientierung ein. M 98, 100 und benachbarte NGCs werden aber eingefangen und dann ist Markarians Kette dran. Das Gefühl für Feld und Richtung stellt sich immer besser ein, nicht schwer bei einer Perlenkette wo kaum ein Feld mit nur einer GX besetzt ist. Alles was der Atlas zeigt und mehr dazu wird sichtbar und dank Fred haben die Sichtungen diesmal sogar einen Namen.

Während Fred nun die eine oder andere Zeichnung anfertigt gehe ich in Virgo abwärts, über M 49 und NGC 4526 zu M 61 und schließlich NGC 4697 und M 104.

Dabei zeigt sich die Kombination aus Riegl-Finder, Richfielder auf 8“ Dobs wie gedacht als geniale Aufsuch- und Beobachtungslösung für Objekte im Einzelstand. Das war im Gewirr des Haufenzentrums nicht so einfach.

Der Sombrero M 104, das südlichste Objekt der heutigen Beobachtung erwies sich dann auch als Grenzfall. Schön zu sehen die längliche Struktur mit hellem Kern und einem wesentlich rundlicheren Halo, das Staubband war aber bei jeder Vergrößerung bis 120fach nur indirekt zu erahnen, eigentlich nicht sicher zu halten.

Immerhin entschloss sich Fred auch diese Sichtung als Zeichnung festzuhalten. Mich zog es inzwischen zu Mel 111 in COM und den benachbarten GX, wobei NGC 4631 und die eng benachbarte 4656/7 für mich noch ein schönes High-Light waren. Ob als Paar in einem Feld oder der „Hering“ einzeln bei höherer Vergrößerung mit den zwei winzigen Randsternen und der kleinen Begleitgalaxie 4627, die tatsächlich zu halten ist.

 

Irgendwie war nun der Hunger nach GX gestillt und dem Durst auf Kaffee wurde nachgegeben, auch die belgische Schokolade verdient lobende Erwähnung. Pausen sind fast so wichtig wie die Beobachtung an sich und der freie Blick in das Sternenmeer zeigt immer wieder Erstaunliches. Im Osten geht der Sommer auf, wohlbekannte Sternbilder präsentieren sich dort in etwas ungewöhnlicher Orientierung aber unverkennbar.

Was liegt also näher, als nach der durchaus anstrengenden Detektierung schwacher GX-Strukturen noch einige „Allstars“ als krönenden Abschluss zu besuchen.

Von M 53 zu M 3 und an beiden Kugelhaufen erweist sich, dass weniger manchmal mehr ist.

Die Wattebällchen sind im 4-Zöller schnell gefunden.

Der Gesamteindruck profitiert im 8-Zöller deutlich von moderaten Vergrößerungen zwischen 70 und 120fach, zumal die Zentren der Haufen dicht und nicht auflösbar bleiben.

Was bei höheren Vergrößerungen schnell diffus wird, blinkt, blitzt und funkelt. Randsterne vor schwarzen Grund und auch vor dem unaufgelösten Zentrum blitzen viele Einzelsterne.

Anders M 13 im Herkules, nicht dass er bei 120fach schlecht käme, nur verträgt er eben aufgrund seiner etwas lockeren Struktur höhere Vergrößerungen wodurch die Auflösung schon im 8-Zöller bis in das Zentrum ansatzweise gelingt.

Zum Abschluss wird noch schnell der Ringnebel in der Leier eingestellt und M 57 überrascht. Ob es nun an der vorangegangenen Jagd nach schwächsten Details und Graustufen in Galaxien liegt oder an was auch immer, der helle Rauchring zeigt sich deutlich in bläulichgrauem Schimmer im Kontrast zum schwarzen Himmel und auch in schönem abgesetzten Kontrast zu seinem rauchgrauen Zentrum.

 

Es geht gegen 03.00 Uhr und trotz Müdigkeit erfolgt der Abbau beinahe widerstrebend, diese Nacht war einfach nur schön und sehr ereignisreich.

Freds Plattform mit teilweise noch provisorischen Komponenten hat sich bewährt und meine beiden Röhren haben sich prächtig ergänzt.

Ein letzter Blick über einen Prachthimmel vor der Abfahrt, im Südosten schaut schon der Skorpion über die Hügel und Jupiter gewinnt Höhe, weckt Vorfreude auf weitere solche Nächte und den herannahenden Sommer.